Montag, 20. Oktober 2008

Friedenspreis für Anselm Kiefer

20. Oktober 2008
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wurde in diesem Jahr zum ersten Mal an einen bildenden Künstler verliehen. Die Tradition des Preises, dass der Geehrte eine Rede hält, wird damit aber nicht hinfällig: Anselm Kiefer ist ein Maler, sein Medium das Bild - in der Frankfurter Paulskirche musste er an diesem Sonntag vom Bild ins Wort zurückwechseln.

Umso erstaunlicher war, worum es dann in Kiefers Rede ging, eine Überraschung, die wir sehr ernst nehmen sollten. Im Zentrum stand: seine Kindheit. Kiefer, geboren 1945 in Donaueschingen, erzählte von seiner Jugend in der Provinz, ohne Fernseher, Internet oder Computer, ein Größerwerden, das er als Wachsen in einem „leeren Raum“ beschrieb.

Sowohl in Interviews als auch in der gestrigen Rede hat Kiefer behauptet, dass ihn schon als Kind die deutsche Vergangenheit beschäftigt habe, als Jugendlicher mehr und mehr, und dass diesem Interesse nur Schweigen entgegnet wurde. Gegen dieses Verdruckste, Verdrängte habe er mit seinen Bildern angemalt, die das, über das nicht gesprochen werden durfte, übergroß in den Raum holten: die deutsche Geschichte, den Abgrund des Menschen, den Mythos.

Text: F.A.Z.NET
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub8236AB3560F344538AC5D24797341929/
Doc~E52F6C6470EA6476A853DFBF0D798BC8E~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Am 20.10.2008 um 10.35 Uhr


In seiner Dankesrede plädierte Kiefer für eine offene Auseinander-
setzung mit der schmerzhaften deutschen Vergangenheit. "Eine so genannte Stunde Null gab es in Wirklichkeit nie", sagte der Künstler mit Blick auf die Nachkriegsgeschichte. Die Trümmer seien zu schnell weggeräumt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei versucht worden, alle Erinnerungen an den Nationalsozialismus zu löschen. "Die Wunden wurden nicht verbunden, sondern schamhaft versteckt. Verborgen wurden nicht nur Gebäude, sondern alles, was die Nazis berührt hatten", sagte Kiefer. Nach dem Krieg habe die Beschäftigung mit der Mythologie prinzipiell unter Verdacht gestanden. "Aber ist es nicht noch gefährlicher, die Mythen gleichsam ins kollektiv Unbewusste zu versenken, statt an ihnen - für alle sichtbar - weiterzuarbeiten?"

Text: ZEIT online
Quelle: http://www.zeit.de/news/artikel/2008/10/19/2640064.xml
Am 20.10.2008 um 10.40 Uhr

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