Die Zeit für Reparationen ist vorbei
Immer noch
wird Deutschland mit Reparationsforderungen kon-
frontiert – wie jüngst aus
Griechenland. Auch aus Italien und Polen, sogar aus den Vereinigten Staaten gab
es Forderungen.
Auch bald
siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Deutschland immer
wieder mit Reparationsforderungen konfrontiert. Nicht nur aus Griechenland; es
gab Forderungen aus Italien und Polen, sogar aus den Vereinigten Staaten
während der Zwangs-
arbeiterdebatte. Die Bundesregierung
hat solche Forderungen bisher stets zurückgewiesen. Nachdem das Athener
Goethe-Institut 2001 wegen angeblicher Forderungen aufgrund eines deutschen
Kriegs-
verbrechens gepfändet worden war, sprach die deutsche Regierung von einem
„deutlichen Rechtsbruch“. Mehrfach machte sie klar, dass die Reparationsfrage
fünfzig Jahre nach Kriegsende „ihre Berechti-
gung verloren“ habe.
Tatsächlich
kam es nach dem Ende des Ost-West-Konflikts zu einer „abschließenden Regelung
in Bezug auf Deutschland“, dem Zwei-
plus-vier-Vertrag. Die Bezeichnung
„Friedensvertrag“ vermied man, um nicht eine neue Reparationsdebatte zu
entfachen. Doch sollte der Vertrag einen Schlusspunkt setzen und Deutschland
(also die Bun-
desrepublik, die DDR und Berlin) in die Souveränität entlassen.
Reparationsforderungen – etwa durch den polnischen Staat – hätten spätestens zu
diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden müssen.
Durch bisherige Leistungen abgegolten?
Selbst wer anderer Auffassung ist, muss sich fragen lassen,
ob nicht etwaige Forderungen gegenüber Deutschland durch bisherige Leistungen
bereits erfüllt wären. Zudem hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag vor
zwei Jahren mit Blick auf Italien entschieden, dass Deutschland nicht vor
ausländischen Gerichten wegen NS-Verbrechen verklagt werden darf. Italien, das
deutsches Eigentum schon pfänden ließ, habe seine Pflicht verletzt,
Deutsch-
lands Immunität zu respektieren. Berlin ist demnach nicht zur Zah-
lung
von Wiedergutmachung an einzelne Opfer oder Angehörige von Opfern deutscher
Kriegsverbrechen verpflichtet. Die dazu in Italien gefällten Urteile verstoßen
gegen das Völkerrecht.
Tatsächlich hatte Italien schon 1947 auf Reparationen
verzichtet, 1961 zahlte Berlin gleichwohl 40 Millionen Mark Entschädigung. Im
Jahr 2008 hatte sich Berlin in Abstimmung mit der italienischen Regierung zur
Anrufung des Internationalen Gerichtshofs entschlos-
sen. Der befand nun, Italien
hätte Klagen von Privatpersonen gegen Deutschland vor italienischen Gerichten
gar nicht zulassen dürfen. Auch die Beschlagnahmung deutschen Eigentums in
Italien verstoße gegen Völkerrecht, so die Richter. Italien müsse dafür sorgen,
dass entsprechende Urteile nicht vollstreckt würden. Auch habe Rom den
Grundsatz der Immunität verletzt, indem es in Italien Entscheidungen
griechischer Gerichte für vollstreckbar erklärte, die sich auf deutsche
Kriegsverbrechen in Griechenland bezogen.
Deutschland kann künftige Klagen nicht
unterbinden
Deutschland wiederum scheiterte in Den Haag mit dem
Versuch, solche Klagen wie die Italiens für die Zukunft zu unterbinden. Ein
Gericht in Rom etwa hatte neun Familien von Opfern eines 1944 verübten
Massakers das Recht auf Entschädigungen zugesprochen. Es ging um die Ermordung
von mehr als 200 Menschen. Verhand-
lungen sind weiterhin möglich, doch die Zeit
für Reparationen ist vorbei.
Auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
waren Nachkommen der Opfer eines Massakers der Waffen-SS im griechi-
schen
Distomo von 1944 gescheitert. Der Menschenrechtsgerichts-
hof hob 2011 hervor,
dass die Menschenrechtskonvention den Mitgliedstaaten keine Verpflichtung
auferlege, Wiedergutmachung für Schäden zu leisten, die ihre Vorgängerstaaten
verursacht hätten. In diesem Fall seien die deutschen Gerichte zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung hätten.
Die Straßburger Richter befanden, dass die deutschen
Gerichte nationales und internationales Recht nicht willkürlich angewendet
hätten. Die Beschwerdeführer hätten keine „berechtigte Erwartung“ haben können,
für den erlittenen Schaden entschädigt zu werden. Es gibt somit weder
individuell noch von Seiten der Staaten noch Raum für Reparationsforderungen.
09.02.2015,
von Reinhard Müller
Quelle: FAZ.NET
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