Kochwäsche
ist längst der Schonwäsche bei 30 Grad gewichen. Die niedrigen Temperaturen
sparen Energie und Ressourcen. Doch der Fortschritt hat einen Haken: Im
handwarmen Wasser überleben viele Keime. Sie können von einem Kleidungsstück
auf das andere übertragen werden.
Düsseldorf -
Die Waschmaschine als Keimschleuder - das ist kein fiktives Horrorszenario. Der
Keim Staphylococcus aureus etwa hat nachweislich bereits den Weg durchs
Wasserbad genommen. Familien, die gemeinsam ein Reinigungsgerät nutzten, zogen
sich nacheinander jene Hautkrankheit zu, die der Keim bei geschwächten Menschen
hervorruft. Saubere Wäsche machte sie krank.
Auch bei
anderen Infektionen verdächtigt man das Wäschewaschen: Beispielsweise breiten
sich multiresistente Keime - Bakterien, die gegen handelsübliche Antibiotika
widerstandsfähig geworden sind - außerhalb von Kliniken immer weiter aus. Sie
werden mitunter über die Kleidung in Altersheime und Privathaushalte
geschleppt, wie der Mikrobiologe Helmut Mucha von den Hohenstein Instituten in
Bönnig-
heim vermutet. Die Bedeutung des Waschens im Vergleich zu an-
deren
Übertragungswegen ist gleichwohl unklar.
Ausgesprochen
hartnäckig verhalten sich Noroviren in der Wäsche-
trommel. Dies könnte ein Grund
sein, weshalb Durchfallerkrankun-
gen mit Noroviren zunehmen. Vor diesem
Hintergrund forderte das Robert-Koch-Institut in Berlin die
Hohenstein-Institute dazu auf, einen Test zu entwickeln, der anzeigt, wie viele
Viren einen Waschvorgang überstehen. Im Juni wurde ein entsprechendes Verfahren
vorgestellt. Zunächst ist es für Reinigungsmittel für industrielle Wäschereien
gedacht, die Textilien aus Krankenhäusern und Pflegeheimen desinfizieren
müssen.
Bazillen
tummeln sich in Geschirrtüchern
"Sicher
werden solche Tests eines Tages aber auch bei der Entwick-
lung von
Haushaltswaschmitteln angewandt werden", ist Mucha überzeugt. "Der
Trend geht dahin, für den Haushalt auch desinfizie-
rende Waschverfahren zu
entwickeln. Die Hersteller wollen die Hygiene im Haushalt besser in den Griff
bekommen - auch, weil wir künftig mehr ältere Menschen haben werden",
erläutert er.
Verschiedene
Studien belegen, dass bei 30 Grad Celsius die Zahl der Mikroben kaum sinkt,
falls ein handelsübliches bleichmittelfreies Pulver benutzt wird. Selbst bei 40
Grad Celsius richtet man mit einem solchen Mittel nicht viel aus. So stellte
Paul Terpstra von der hollän-
dischen Universität Wageningen fest, dass
Staphylococcus aureus und Enterobakterien das milde Bad mühelos überstehen.
Besonders
viele Bazillen tummelten sich in gewaschenen Windeln und Geschirrtüchern,
während Socken und Stofftaschentücher im Vergleich dazu reiner waren. Besonders
bedenklich: Die Kleinstlebe-
wesen können sich im Restwasser der leeren Maschine
vermehren und bei der nächsten Nutzung auf die Wäsche übertragen werden. Nach
einem Gang bei 60 Grad hängen immerhin zehn- bis hundert-
mal weniger Keime in
der Wäsche als bei 40 Grad Celsius, wie Terpstra herausfand. Aber: "Sogar
mit diesen Programmen bleiben die Textilien kontaminiert", hält er fest.
60 Grad
reichen nicht bei allen Keimen
Dagegen
wurden nahezu alle Keime abgetötet, wenn er Bleichmittel zugab oder ein
bleichmittelhaltiges Waschpulver einfüllte. Je heißer es in der Lauge ist,
desto besser wirken die Chemikalien. Hersteller wie die Düsseldorfer Firma
Henkel arbeiten an der Entwicklung von Bleichmitteln, die schon bei niedrigen
Temperaturen ihre maximale Wirksamkeit entfalten.
Terpstras
Befunde werden von Experimenten an der Technischen Universität München
untermauert. Auch dort verschwanden die meisten Keime aus den Textilien,
nachdem sie bei 60 Grad Celsius mit bleichmittelhaltigen Reinigern traktiert
worden waren. Allerdings erweisen sich der Darmpilz Candida albicans und der
Schimmelpilz Aspergillus niger, der Asthma verstärken kann, als besonders
widerstandsfähig.
Schon 2005
forderte das Bundesinstitut für Risikobewertung dazu auf, mit Mikroben
belastete Textilien wie Putz- und Spültücher, aber auch Unterwäsche stets bei
60 Grad Celsius mit einem bleichmittel-
haltigen Mittel zu reinigen. Eine
Kochprozedur sei dagegen im Allge-
meinen nicht erforderlich. Doch nur etwa ein
Drittel der Menschen befolgen diesen Rat laut dem französischen
Forschungszentrum Institut Pasteur.
Ein Blick
auf das Etikett von türkisfarbenen Pantys, rosa BHs und bunten Socken lehrt
überdies, dass diese oftmals nur bei 30 Grad Celsius und schon gar nicht mit
Bleichmittel gesäubert werden dürfen. Sonst verblassen die Farben. Insofern hat
der Verbraucher - zugespitzt formuliert - die Wahl zwischen einem höheren
Verschleiß an Textilien oder mikrobenreicher Unterwäsche.
Erkrankt
eine Person, zum Beispiel an einer Grippe oder einem Fußpilz, sollten ihre
Kleidungsstücke jedoch gesondert mit einem Vollwaschmittel bei 60 Grad in die
Trommel gegeben werden. "Was viele vergessen: Nach jedem Waschen die
Klappe und die Schub-
lade ganz öffnen, damit das Restwasser verdunsten
kann", ergänzt Bockmühl. Ab und zu sollte man die Maschine bei hoher
Temperatur mit einem bleichmittelhaltigen Reiniger leer laufen lassen, um Keime
im Restwasser zu beseitigen.
Quelle und weitere Informationen:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/30-grad-waesche-waschmaschine-wird-zur-keimschleuder-a-635549.html