Donnerstag, 3. November 2016

Grundsteuer-Reform 2016 betrifft 35 Millionen Eigentümer

Höhere Mieten, steigende Immobilienpreise

Sie ist kompliziert sowie ungerecht und soll seit Jahren neu geregelt werden: die Grundsteuer. Nach mehreren erfolglosen Anläufen haben sich die Länder jetzt zu einem Modell durchgerungen. Doch Experten rechnen mit höheren Mieten und steigenden Immobilienpreisen.

Grundsteuer ist wichtigste Einnahmequelle

Die Grundsteuer ist mit einem jährlichen Aufkommen von rund 13 Milliarden Euro eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Zwar behaupten die Länder, dass sie mit der Reform nicht mehr Geld einnehmen wollen als bisher. Eine Garantie dazu gibt es allerdings nicht. Im Reformplan heißt es lediglich: Wer am Ende weniger und wer mehr bezahlt, werde sich erst in einigen Jahren zeigen, wenn die komplette bundesweite Bewertung vorliegt.

Zur Ermittlung der Grundsteuer werden die sogenannten Einheitswerte herangezogen. In den alten Ländern liegen diesen die Wertverhältnisse zum 01.01.1964 zugrunde. In den neuen Ländern sind es sogar die Wertverhältnisse zum 01.01.1935. 

Derzeit sind beim BVerfG mehrere Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbe-
wertung anhängig. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit könnte einen Ausfall der Grundsteuer zur Folge haben. Angestrebt wird konzeptionell eine (bundesweit) gesamtaufkommensneutrale Reform. 

Wesentliche Inhalte:
Der Gesetzentwurf sieht Änderungen vorrangig im Bereich des Bewertungsgesetzes und des Grundgesetzes vor. Hinsichtlich der Neubewertung ist ein schrittweises Vorgehen angedacht:

1. Neufassung der Bewertungsregeln für Zwecke der Grundsteuer: 

Rund 35 Millionen Grundstücke und LuF-Betriebe sollen erstmals auf den 01.01.2022 bewertet werden:
  • unbebaute Grundstücke anhand von Bodenrichtwerten
  • bebaute Grundstücke zusätzlich anhand des Gebäudewerts unter Berücksichtigung von Art und Baujahr
2. Ermittlung der Messzahlen, um die angestrebte bundesweite Aufkommensneutralität
    zu erreichen 
 
Künftig soll die Bewertung aller Grundstücke und LuF-Betriebe regelmäßig wiederholt werden. 

Eine Änderung des Grundgesetzes soll zugleich die konkurrierende Gesetzgebungs-
kompetenz des Bundes für die Grundsteuer absichern. Darüber hinaus soll den Ländern die Kompetenz zur Bestimmung eigener, jeweils landesweit geltender Steuermesszahlen grundgesetzlich eingeräumt werden. 

Experten rechnen damit, dass die Grundsteuer-Reform für viele Eigentümer eine deut-
liche Erhöhung mit sich bringt. Es sei völlig klar, dass sie diese Mehrausgaben an ihre Mieter abgeben. 

Eigentümer bekommen Post von der Gemeinde
 
Etwa 35 Millionen Eigentümer erhalten ab 1. Januar 2022 Post von ihrer Gemeinde. In umfangreichen Fragebögen müssen sie dann Angaben zu ihren Immobilien machen. Bis alle Eigentümer angeschrieben sind, vergehen bis zu zehn Jahre.

Für das Gebäude soll statt der alten Einheitswerte neu ein Kostenwert ermittelt werden. Dieser soll den Investitionsaufwand für die Immobilie abbilden. Bodenrichtwert und Gebäudewert werden – mit wenigen Komponenten – pauschaliert eingerechnet.  
Dabei sollen Ausbauten, wie etwa ein Dachgeschoss, eine Tiefgarage oder ein Wintergarten berücksichtigt werden. Anhand der Angaben legen die Kommunen dann die Grundsteuer fest. Experten rechnen damit, dass die fällige Summe dann höher liegen wird als bisher. Allein weil die Reform Unmengen an Bürokratiekosten verschlingt, könnten Kommunen diese Mehrausgaben für die Datenerfassung an die Eigentümer weitergeben.
Das ist zumindest die Befürchtung von Rainer Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler: "Der Aufwand dürfte gewaltig sein", sagte er der "Welt". Allein durch die Erfassung und Prüfung der Daten sei mit hohen Kosten zu rechnen.

Problematisch sieht der Verband Wohneigentum bereits den Ansatz des Gebäudewerts, der alle sechs Jahre neu berechnet werden soll. Grundlage sollen nämlich die Her-
stellungskosten eines vergleichbaren Neubaus sein, gemindert um den Alterswert. Gut 75 Prozent der 18 Millionen Wohngebäude wurden vor 1978 errichtet und seitdem in unterschiedlichster Weise modernisiert. „Investitionen in energetische Sanierung und altersgerechten Umbau dürfen nicht anschließend zu höheren Grundsteuern führen. Wer soll und wird denn dann noch sein Haus anpacken?" fragt Verbandspräsident Hans Rauch. Ebenso sei eine Wertsteigerung zu beurteilen, die mancherorts durch Wohnungsknappheit der letzten Jahre eingetreten ist und aus ehemals billigen Lagen teure Lagen werden lässt. Das Eigenheim, das von der Familie bewohnt wird, ist nicht verwertbar. „Der Eigentümer kann davon nichts abbeißen, solange er es nicht veräußert", betont Rauch.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass der Kostenwert als Indikator der steuerlichen Leistungsfähigkeit gelten soll. Die Grundsteuer ist eine Substanzsteuer, die unabhängig vom Ertrag entsteht und die tatsächliche individuelle Leistungsfähigkeit ignoriert. Das kann Bezieher kleiner Einkommen, insbesondere Rentner, in Bedrängnis bringen.

Daher fordert der Verband Wohneigentum im Rahmen des vorgelegten Gesetzentwurfs eine entsprechende Fixierung der Steuermesszahl. Das Einfallstor einer Länderklausel, mit der schon bei der Grunderwerbsteuer denkbar schlechte Erfahrungen gemacht wurden, sollte aus dem Entwurf gestrichen werden. Außerdem fordert der Verband die Deckelung der Hebesätze. 

„Schon heute wäre es notwendig, den Kommunen keinen Freifahrtschein für Steuererhebung nach Kassenlage zu überlassen", unterstreicht Hans Rauch.


Quelle und weitere Informationen:

 




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